Mantelsack und Dachsranzen
Wer kennt das nicht; außer es reicht der Besitz und das Vertrauen auf eine Kreditkarte, um sich heute keine Gedanken über das Reisegepäck zu machen. Goethe entscheidet sich bewusst für leichtes Gepäck für seine Italienreise: Ich warf mich ganz allein, nur einen Mantelsack und Dachsranzen aufpackend, in eine Postchaise. Also so etwas wie einen mit einer seitlichen Klappe versehenen Seesack, den man, wenn notwendig, auch hinter dem Sattel aufs Pferd oder Maultier (wie von Bardolino nach Verona) legen kann und einen mit Dachsfell überzogenen Rucksack, einem Tornister nicht unähnlich; beide Gepäckstücke verleihen Bewegungsfreiheit, auch heute noch. Allerdings würden heute die Logos „Northface“ oder „Wolfskin“ vom strapazierfähigem Nylon prangen.
Soweit die Behältnisse in die nun die Reisegarderobe und alles andere Wesentliche für die Reise gepackt werden müssen. Für die Zusammenstellung und Anzahl der Wechselbekleidung innen und aussen setzt das eine herausfordernde Zeitberechnung zugrunde aus der hervorgehen muss, wie lange etwas getragen werden kann, wann dann ein Wechsel angebracht ist und wie man wieder zu einer frischen Garnitur, z.B. durch waschen kommen kann. Die Unbekannten in dieser Rechnung sind das eigene Geruchsempfinden und das Anderer. Man kann allerdings auch pragmatisch vorgehen und sich sagen, das und nicht mehr habe ich und jetzt schau’n wir mal wie wir weiter kommen. Ich glaube, das war Goethes Ansatz ähnlich einem heutigen Rücksacktouristen. Wir würden uns heute unterwegs billige T-shirts und Unterhosen kaufen, die nach ausgiebigem Gebrauch weggeworfen umweltschonender und billiger kommen als wenn sie einer Wäsche zugeführt würden.
In den Mantelsack kann man Bekleidung gerollt und somit relativ faltenarm packen: Mantel, Jacket, Gilet, Hose, Hemden, ein zweites Paar Schuhe und vielleicht auch ein Nachtgewand. Wie hat aber der Waschbeutel mit Rasierzeug zu Goethes Zeiten ausgesehen? Hat er sich überhaupt selbst rasiert und wenn ja, wie oft in der Woche?
Zur Garderobe gibt es für den damaligen Reisenden, der eindeutig dem Adel oder dem Bildungsbürgertum zuzuordnen war auch andere Gegenstände, die zwingend mitzuführen waren: Schreibzeug, Feder, Tusche, Skizzenpapier lose oder in Buchform, Aquarellfarben und Pinsel. Das war wichtig, um sowohl während der Reise von dieser berichten, als auch nach der Reise die gewonnenen Impressionen mit Interessierten teilen zu können. Waren das danach Vedutenbücherl und Ansichtskarten, so kann ein heutiges iPhone rein theoretisch alle die mit diesen Gerätschaften und Absichten verbundenen Funktionen übernehmen. Allerdings wird der wahre Eindrücke-Sammler auf das Mitführen seines Zeichen- und Malgerätes nicht verzichten. Nun, alle diese Gegenstände finden im Dachsranzen einen geeigneten Unterschlupf, dieser bietet auch einen schnellen Zugriff. Was ihm fehlt ist nur das seitlich angebrachte Netz für die Plastikwassertrinkflasche.
Zu Beginn seiner Reise ist Goethe mit der entsetzlichen Schnelle unterwegs. Mit seinen ersten Skizzen auf dem Brenner ist er unzufrieden ….Erst mit seinem Abstecher über Rovereto zum Gardasee überfallen ihn die schönsten Kalkfelsen zu malerischen Studien. Malcesine skizziert er zuerst im Vorbeifahren vom Boot aus. Wegen eines wetterbedingten Zwangsaufenthalts findet er am nächsten Tag zum Zeichnen ein sehr bequemes Plätzchen. Allein das auch heute noch begeisternde Objekt seines Kunsttriebes, das Kastell von Malcesine, bringt ihm den Vorwurf der Spionage ein. Als ein im Dialog geschickter und sprachlich gut gebildeter Mann kann sich Goethe herausreden. Er wird freundlich entlassen, damit er bei seinen Landsleuten Gutes von uns rede und sie aufmuntere, Malcesine zu besuchen. So ist es auch gekommen.